Wie eine Rückkehr zur Tradition aussehen könnte

Quelle: Distrikt Deutschland

Einer unserer Tertiaren hat in diesen Tagen in Litauen einen Wallfahrtsort besucht, den ich – ich muss es bekennen – bisher nur vom Namen gekannt habe. Im Baltikum ereignete sich in der Zeit der Bedrückung des Glaubens ein großes Wunder, das uns erahnen lässt, wie der Triumph des Unbefleckten Herzens, den wir erhoffen, aussehen könnte. 

In Šiluva, einer von Kiefernwäldern umgebenen Stadt im Zentrum des heutigen Litauen erschien 1608 die Gottesmutter – ein Ereignis, das 1775 von Papst Pius VI. kirchlich anerkannt wurde. 

Litauen wurde im Vergleich zu anderen europäischen Nationen erst spät Wie eine Rückkehr zur Tradition aussehen könnte bekehrt. Ladislaus II., ein Jagellone, der 1387 bei seiner Hochzeit mit der polnischen Königin getauft wurde, bemühte sich, den katholischen Glauben in seinem noch heidnischen Königreich zu verbreiten. Ein Adeliger ließ im 15. Jahrhundert in Šiluva eine Kirche bauen und brachte dafür von einer Reise nach Rom eine Ikone mit. Das Gotteshaus entwickelte sich durch die Verehrung dieses heiligen Bildes bald zu einem berühmten Marienheiligtum.

Aber die Zeiten änderten sich. Šiluva wurde 1532 auf Druck des adeligen Grundherrn calvinistisch. Die protestantische Strömung führte einen bilderstürmerischen Krieg gegen den überlieferten katholischen Glauben. Sie beschlagnahmte die Kirchen, zerstörte religiöse Gegenstände und brannte häufig sogar die Gebäude nieder. Die Kirche in Šiluva wurde dabei ebenfalls zum Brandopfer. Der katholische Gemeindepfarrer Jonas Holubka hatte rechtzeitig die Ikone, liturgische Geräte und wichtige Dokumente in Sicherheit gebracht, in dem er sie in einer eisernen Truhe unter einem nahegelegenen Felsen verbarg. Im Lauf der folgenden 76 Jahre war auch der letzte Katholik in Šiluva längst verstorben. Der Glaube der Väter, die Liebe zum hl. Messopfer und die Verehrung Mariens waren erloschen. 

Ende August 1608 berichteten Kinder, die in der Nähe des Dorfes Šiluva ihre Schafe hüteten, dass sie „eine schöne Dame mit einem Kind“ gesehen hätten. Die Frau hätte bitterlich geweint. Die Nachricht verbreitete sich sofort. Die Kinder kamen am nächsten Tag mit einer kleinen Menschenmenge zurück. Alle sahen die Erscheinung und die weinende Gottesmutter. 

Als der calvinistische Pastor das Ganze unterbinden wollte, wurde er selbst Zeuge der Erscheinung. Er fragte die Jungfrau nach dem Grund für ihren Schmerz, worauf sie antwortete: „Weil mein geliebter Sohn an diesem Ort nicht mehr so angebetet wird, wie es früher getan wurde.“ 

Auf die Vision eines 100-jährigen Blinden hin wurde unter dem Felsen die 1532 verborgene Eisentruhe mit dem Bild der Muttergottes, den liturgischen Geräten und den Urkunden gefunden. Der blinde alte Mann, der die Truhe fand, konnte wieder sehen. Das war das erste anerkannte Wunder der Jungfrau von Šiluva. Die Einwohner von Šiluva und der Umgebung bekehrten sich daraufhin wieder zur katholischen Kirche. Diese Bekehrung war so gewaltig, dass zehn Tage später, am Fest Mariä Geburt, mehr als 11.000 Menschen die heilige Kommunion am Ort der Erscheinung empfingen. Im Jahr 1622 wurde das Anwesen der katholischen Kirche zurückgegeben: Innerhalb weniger Jahre widerrief die gesamte Region den Protestantismus und kehrte zum katholischen Glauben zurück. 

Papst Pius VI. erkannte die Erscheinung an und erlaubte die Krönung des hochverehrten Marienbildes am 8. September 1786. Hauptwallfahrtstag ist das Fest Mariä Geburt am 8. September. Vor dem Zweiten Weltkrieg gingen Prozessionen von allen litauischen Städten aus, um nach Šiluva zu pilgern. Die heutige Basilika „Mariä Geburt“ wurde 1775 geweiht und ist eines der schönsten Beispiele für die spätbarocke Architektur in Litauen. Auf dem Felsen, auf dem die Jungfrau Maria bei der Erscheinung stand, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Erscheinungskapelle unter dem Titel „Maria – Heil der Kranken“ errichtet. 1994 erlebte der Ort einen Papstbesuch. Da viele Litauer nach der Marien-Erscheinung zum wahren Glauben zurückkehrten, wird Unsere Liebe Frau von Šiluva als Patronin derer angerufen, die den Glauben aufgegeben haben, und derer, die für sie beten. 

In Šiluva ging es um die Rückkehr einer Bevölkerung, die die Anbetung Gottes im wahren Glauben vergessen hatte, es ging um die Rückkehr zur hl. Messe. – Sind wir heute nicht in einer ähnlichen Lage? Viele Katholiken haben den Glauben verloren. Die Messe aller Zeiten, Ausdruck der Lehre vom Sühnetod Christi, wird bekämpft. Auch heute braucht es eine Rückkehr zum Glauben und zur Messe! Ist die Erscheinung von Šiluva nicht ein Hinweis auf die Macht des Himmels und der Gnade? Gott hat seine Mutter zu den Irrenden geschickt, weil kein Katholik ihnen mehr den Glauben verkündete. Die Muttergottes hat die Menschen zurückgeführt zum hl. Messopfer und zu den Sakramenten und sie auf den Weg des Heils geleitet. – Setzen wir auch heute unsere Hoffnung auf die Gottesmutter! Sie überwindet die Häresien und ist Siegerin in allen Schlachten Gottes. 

Auch ohne dass wir von Erscheinungen Mariens berichten können: Im Kleinen werden wir Priester dauernd Zeugen vom Wirken Gottes in den Seelen. Die Zahl derer, die – teilweise nach jahrelanger Suche – den Schatz des Glaubens und der heiligen Messe entdecken und voll Begeisterung ergreifen, nimmt stetig zu. Für diejenigen, die schon katholisch sind, gilt: Es ist eine Gnade, katholisch zu werden. Es ist eine noch größere Gnade, katholisch zu bleiben! Es ist keine Selbstverständlichkeit und sollte unsere dauernde Sorge sein. 

Machen wir uns keine Sorgen um die zeitlichen Dinge. Das Zeitliche ist nicht das Wesentliche! Mir kommt bei der Erscheinung von Šiluva ein Zitat des NS-Opfers Pater Alfred Delp SJ aus der Todeszelle in Plötzensee in den Sinn: „Brot ist wichtig, die Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten aber die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung.“