Thomas von Aquin - Lehrer der Kirche (1225–1274)

Quelle: Distrikt Deutschland

Der hl. Thomas von Aquin ist ohne Zweifel einer der größten christlichen Denker aller Zeiten und der bedeutendste Theologe und Philosoph des Mittelalters. 1568 wurde er zum heiligen Kirchenlehrer erklärt und seither hat seine Theologie in der Kirche den ersten Rang eingenommen. Aber ebenso ist der hl. Thomas als Philosoph herausragend und steht in einer Reihe mit Platon und Aristoteles. Seine außerordentliche Leistung besteht vor allem in der systematischen Synthese der klassischen Antike mit den Lehren der Kirchenväter und der christlichen Tradition. 

In diesem Jahr feiert die Kirche seinen 799. Geburtstag und zugleich seinen 750. Todestag. Thomas wurde vermutlich 1225in Roccasecca in Italien, südlich von Rom, als Sohn einer aristokratischen Familie geboren. Er wurde auf den Namen Tommaso, also Thomas, getauft. Der Familienname lautete de Aquino. Schon im Alter von nur fünf Jahren wurde er zur Ausbildung in das berühmte Kloster Monte Cassino geschickt, das vom heiligen Benedikt (480–547) gegründet worden war. Hier erhielt Thomas von den Mönchen des Klosters seine gesamte Schulbildung und besonders lernte er die Bibel ausführlich kennen. Aber auch die Schriften des hl. Augustinus (354–430) und Gregor des Großen (540–604) gehörten zur Ausbildung im Kloster. Bereits in diesen frühen Jahren seines Lebens fiel Thomas durch eine außerordentlich Begabung, aber auch durch seine Frömmigkeit auf.

Im Alter von 15 Jahren wurde Thomas von Aquin dann zum Studium nach Neapel geschickt, wo er mit den Schriften des Aristoteles bekannt gemacht wurde. Die Eltern hatten die Mühen und Kosten für die Ausbildung ihres Sohnes vermutlich in der Absicht aufgebracht, dass Thomas später der Abt des Klosters von Monte Cassino werden sollte. Gegen den heftigen Widerstand seiner Familie entschied er sich aber für den noch recht jungen Bettelorden der Dominikaner, in dener vermutlich 1242 eintrat. Dazu gibt es eine Anekdote, die in jeder Biographie des hl. Thomas erwähnt wird. Seine Brüder entführten Thomas im Auftrag der Familie und sperrten ihn für mehr als einem Jahr in das obere Stockwerk des Schlosses derer von Aquin ein, um ihn „zur Vernunft“ zu bringen. Es wurde vielerlei unternommen, um ihn von seiner Entscheidung für die Dominikaner abzubringen und das einzige Buch, das ihm in seiner Gefangenschaft zur Verfügung stand, war die Heilge Schrift. In dieser Zeit lernte Thomas große Teile der Bibel auswendig.

Schließlich erkannte seine Familie, dass er nicht von seiner Entscheidung abzubringen war, und so entließ man ihn 1248 zu den Dominikanern. Um zu verhindern, dass er noch einmal entführt wurde, schickte man ihn weit weg, nämlich nach Köln zu seinem Ordensbruder Albertus Magnus (1206–1280), der hier die Universität gründete und Thomas unter seinen Studenten und schon bald als seinen Sekretär aufnahm. Bereits zu dieser Zeit galt der hl. Albert als einer der führenden Persönlichkeiten des Ordens.

Schon nach kurzer Zeit erkannte Albert der Große die herausragende Begabung seines jungen Studenten. Deshalb sandte ihn sein Orden nach Paris, damals die führende Universität Europas, wo man alle Geistesgrößen des Mittelalters finden konnte. Hier unterrichtete der hl. Thomas die jungen Studenten seit etwa 1251. Er begann mit der Vorlesung und Kommentierung der biblischen Texte, insbesondere Isaias und Jeremias, und, wie es damals üblich war, kommentierte er die berühmten Sentenzen des Petrus Lombardus (1100–1160). Dieses Buch, das vor allem Kommentare zur Heilgen Schrift aber auch zu den Kirchenvätern enthielt, gehörte zu den Standardlehrbüchern des Mittelalters.

Im Jahre 1256 wurde Thomas zum Magister der Theologie ernannt und damit gehörte die Lehre zu seinen regelmäßigen Verpflichtungen. Seine Antrittsvorlesung war eine Auslegung des Psalms 103,13: „Wenn du den Berg von oben bewässerst, wird die Erde mit der Frucht deiner Werke erfüllt sein.“

Um 1261 wurde Thomas von Aquin von seinem Orden von Paris abberufen und in das Priorat der Dominikaner im italienischen Orvieto bestellt, um dort die jungen Novizen zu unterrichten. Nach einigen Jahren wurde er 1265 damit beauftragt, ein neues Studienhaus für die Dominikaner in Santa Sabina in Rom zu gründen. Er selbst war der erste Lehrer dieses Studienhauses.

Nachdem Thomas 1268 das Angebot, Erzbischof von Neapel zu werden, abgelehnt hatte, wurde er wieder nach Paris berufen. In Paris hatte eine größere Gruppe von Theologen und Philosophen Einfluss gewonnen, die durch eine einseitige Interpretation der Philosophie des Aristoteles zu häretischen Auffassungen neigten. Thomas sollte in öffentlichen Disputationen und in Vorlesungen deren Thesen widerlegen, was ihm glänzend gelang, wodurch sich sein Ruhm weiter verbreitete. Thomas überzeugte seine Gegner durch den Hinweis, dass das beste Mittel gegen eine falsche Aristoteles-Interpretation eine genaue Kenntnis des gesamten Werkes des Aristoteles sei. Deshalb machte sich Thomas daran, zu allen wichtigen Schriften des Aristoteles Kommentare zu schreiben, die allgemein bis heute als die besten Interpretationen des Aristoteles anerkannt werden.

Sein bekanntestes und wichtigsten Werk ist aber die Summa Theologiae, an dem er in Paris arbeitete. Der Dominikanerorden hatte den hl. Thomas beauftragt, ein Lehrbuch für die dominikanischen Studenten zu verfassen, das die gesamte Theologie und die Lehre der Kirche zusammenfasst. An diesem großen Werk, das in der lateinischen Ausgabe fünf Bände mit insgesamt mehr als 5000 eng bedruckten Seiten umfasst, arbeitete Thomas viele Jahre und konnte es durch seinen frühen Tod nicht vollenden. Über Jahrhunderte bis zum II. Vatikanischen Konzil war die Summa die Grundlage des Theologiestudiums des katholischen Kirche auf der ganzen Welt.

Den katholischen Gläubigen ist der hl. Thomas weiterhin bekannt durch die Liturgie des Fronleichnamsfestes. Papst Urban IV. hatte ihn damit beauftragt, Gebete und Hymnen für die Liturgie dieses neuen Festes zu schreiben, das erstmals 1264 zu Ehren des Allerheiligsten Altarsakraments gefeiert wurde. In seinen Texten wird das Geheimnis der Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi, das Thomas mit dem theologischen Fachbegriff „Transsubstantiation“ verständlich zu machen versuchte, in unnachahmlicher Weise in lebendigen und singbaren Versen verehrt. 

1272 wurde Thomas nach Neapel berufen, wo er erneut ein Studienhaus der Dominikaner gründete und zugleich an der Universität Neapel lehrte. Durch die zahlreichen Arbeiten und seine vielfältigen Aufgaben wurde sein Gesundheitszustand zusehends schlechter. Über seine geradezu wundersame Arbeitsintensität wird berichtet, dass er die Angewohnheit gehabt habe, wie ein Schachgroßmeister auf einem Schachturnier drei oder vier Sekretären gleichzeitig Texte zu unterschiedlichen Themen und Büchern zu diktieren. 

1274 hatte Papst Gregor X. ein Konzil nach Lyon einberufen mit dem Ziel, die griechische und römische Kirche wieder zu vereinigen. Zu diesem Konzil wurde der hl. Thomas eingeladen. Trotz seines schlechten Gesundheitszustandes machte er sich auf den Weg nach Lyon. Dabei verschlechterte sich sein Zustand so deutlich, dass er gezwungen war, die Reise in der Nähe von Fossanova zu unterbrechen. Im dortigen Zisterzienserkloster verstarb er am 7. März 1274 im Ruf der Heiligkeit. Besonders das einfache Volk verehrte den großen Heiligen, denn trotz seiner großen Weisheit konnte er in einfachen und dem Volk verständlichen Worten wundervoll predigen. Die Reliquien des hl. Thomas liegen in der Pfarrkirche des hl. Sernin in Toulouse. Insbesondere auch seine Reinheit brachte ihm schon früh den Ruf der Heiligkeit ein. „Beim Volk fand seine durch Wunder bestätigte Heiligkeit Anklang: seine innige Liebe zu Gott und zum Nächsten, seine kindliche Arglosigkeit und Demut, seine Keuschheit, seine Armut und sein Gehorsam. Sein ganzes Leben hindurch war Thomas‘ apostolischer Eifer auf die geistigen Anliegen anderer und der Kirche gerichtet; im Tode diente er weiterhin den Bedürfnissen anderer durch sein Beispiel und seine Wunder. Eine der frühesten Verehrungsformen galt seiner engelhaften Reinheit. Daraus entstand die ‚Gürtelbruderschaft‘, deren Mitglieder einen leichten Gürtel um die Hüfte trugen, der an den Gürtel erinnerte, mit dem die Engel Thomas nach der versuchten Verführung umgürtet haben sollen.“[1] Dies geht auf einen Bericht zurück, nachdem der hl. Thomas während seiner Gefangenschaft im Schloss seiner Eltern durch eine von den Brüdern bestellte Prostituierte verführt werden sollte, um ihn auf diese Weise von seiner Entscheidung für die Dominikaner abzubringen. Der ansonsten sehr sanftmütige Heilige soll daraufhin einen brennenden Holzscheit aus dem Kamin genommen und mit diesem die Frau aus seinem Zimmer vertrieben haben. Anschließend zeichnete er mit dem Holzscheit ein Kreuz auf die Türe. Seither, so wird überliefert, wurde Thomas von Aquin nie mehr von Versuchungen in der Reinheit bedrängt.

Weniger als 50 Jahre nach seinem Tod, im Jahre 1323, wurde Thomas von Aquin mit der Bulle von Johannes XXII. Redemptionem misit heiliggesprochen und zum Kirchenlehrer erhoben. 1879 veröffentlicht Papst Leo XIII. die Enzyklika Aeterni Patris, durch die das Studium des hl. Thomas von Aquin an allen kirchlichen Hochschulen verbindlich vorgeschrieben wurde. Dies führte weltweit zu einem mächtigen Aufschwung der thomistischen Philosophie und Theologie.

 


[1] James Weisheipl: Thomas von Aquin. Sein Leben und seine Theologie; Graz, Wien, Köln (Verlag Styria 1996).