S.E. Erzbischof Marcel Lefebvre als priesterliches Vorbild (geschichtliches Interview in 3 Teilen)

Msgr. Marcel Lefebvre während der Opferung der Messe
Msgr. Bernard Tissier de Mallerais (+ 2024) im Interview über die Gründung der Priesterbruderschaft St. Pius X. Wie wirkte Erzbischof Marcel Lefebvre auf die ersten Seminaristen in Fribourg? Welche Einflüsse prägten die Gründung der Bruderschaft? Und wie wirkte sich der Geist der Spiritaner, deren Generaloberer der Erzbischof war, auf das Wesen der Priesterbruderschaft aus? Bischof Tissier de Malleries (+) gab darüber Auskunft.
Mitteilungsblatt: Welche besonderen Erinnerungen haben Sie an den Erzbischof als priesterliches Vorbild?
Msgr. Tissier de Mallerais: Der Erzbischof las uns jeden Morgen die hl. Messe. Keine außerordentlichen Gesten, nie etwas gegen die Rubriken. Er gab uns ein gutes Beispiel der Einfachheit und der wahren Frömmigkeit, die nicht in der äußerlichen Haltung besteht, sondern in der Bescheidenheit und Einfachheit.
Jeden Abend hielt er eine Zusammenkunft ab, bei der er zu uns über das geistliche Leben sprach. Wie wir beten sollten, wie wir unsere tägliche Betrachtung halten sollten. Er sprach über die Gegenwart des Heiligen Geistes in der Seele, über die Wirkungen der Taufe, über unsere nötige Trennung von der Welt. Er sprach über die vier Wunden der Erbsünde und mahnte uns, einen geistlichen Kampf zu führen.
Erzbischof Lefebvre war sehr einfach und bescheiden, mild, aber auch bestimmt. Zum Beispiel seine Weisung: Stillschweigen und keine Zusammenkünfte nach der Komplet. Das galt auch an dem Abend, an dem das Fernsehen über die Heldentat der ersten Mondlandung berichtete. Ich muss gestehen, dass ich nicht gehorcht habe. [Er lächelt.]
Mitteilungsblatt: Sie haben in der von Ihnen verfassten Biographie von Erzbischof Lefebvre verschiedene Einflüsse aufgezeigt, die die Gründung der Bruderschaft prägten. Zuerst sicher der „Traum von Dakar“. Können Sie diese „Intuition“ des Erzbischofs erklären?
Msgr. Tissier de Mallerais: Dieser Traum – rêve – oder diese Schau fand wahrscheinlich, wenn ich es richtig einschätze, 1958 statt. Als er in seiner Bischofskirche in Dakar ins Gebet versunken auf seinem Betstuhl kniete, während der Konsekration einer hl. Messe. Er hatte uns nie von diesem Traum gesprochen.
Erst am 8. Dezember 1989 schrieb der Erzbischof darüber im Vorwort für diesen Geistlichen Wegweiser – ich zitiere: „Wenn der Heilige Geist mir erlaubt, diese kurzen geistlichen Betrachtungen zu verfassen, bevor ich, wenn Gott mir gnädig ist, in den Schoß der allerheiligsten Dreifaltigkeit eingehe, dann hat Er mir erlaubt, das Traumbild zu verwirklichen, das Er mich eines Tages in der Kathedrale von Dakar schauen ließ: nämlich angesichts des fortschreitenden Verfalles des priesterlichen Ideals das katholische Priestertum Unseres Herrn Jesus Christus weiterzugeben in der ungetrübten Reinheit der Lehre, in seiner grenzenlosen missionarischen Liebe, so wie Er es Seinen Aposteln übertragen hat und so wie es die römische Kirche bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts überliefert hat.
Aber wie sollte das verwirklicht werden, was mir damals als die einzige Lösung zur Erneuerung der Kirche und der Christenheit erschienen war? Noch war es ein Traumbild, in dem sich mir aber schon die Notwendigkeit gezeigt hatte, nicht nur das authentische Priestertum zu überliefern, nicht nur die von der Kirche bestätigte „sana doctrina“ (die „gesunde Lehre“), sondern den tiefen und unwandelbaren Geist des katholischen Priestertums und des christlichen Geistes, die in ihrem ganzen Wesen mit dem erhabenen Gebet Unseres Herrn verbunden sind, das Sein Kreuzesopfer ewig zum Ausdruck bringt.
Das wahre Priestertum ist restlos abhängig von diesem Gebet; daher war ich immer so sehr von diesem Wunsch beseelt, den Weg zur wahren Heiligung des Priesters nach den Grundprinzipien der katholischen Lehre über die christliche und priesterliche Heiligung zu weisen.“
Mitteilungsblatt: Welche Rolle spielte Ecône bei Ihrer Ankunft 1969 in Fribourg?
Msgr. Bernard Tissier de Mallerais: 1969 kannte Msgr. Lefebvre das im Wallis gelegene Ecône schon. Er hatte das Haus, das fromme Laien erworben hatten, schon besichtigt. Er hatte die Landschaft und die Ruhe als wohltuend empfunden. Er hatte es aber eher als „eine Art Noviziat“ gesehen, als Ort für ein „Spiritualitätsjahr“. Ein geistliches Vorbereitungsjahr sollte für einen Seminaristen das sein, was ein Noviziat für den Ordensmann ist.
Msgr. Lefebvre hatte unter der mangelnden geistlichen Vorbereitung für das Theologiestudium an Santa Chiara in Rom gelitten. Er empfand das Noviziatsjahr bei den Spiritanern, das er 1931 als junger Priester in Orly, südlich von Paris, vollendet hatte, als große Gnade.

Msgr. Marcel Lefebvre während des Lavabos
Mitteilungsblatt: Erzbischof Lefebvre wurde 1962 zum Generaloberen der Spiritaner gewählt, des mit über 5.000 Professen größten Missionsordens der Kirche. Welches Erbe der Spiritaner hat der Erzbischof auf die Bruderschaft übertragen?
Msgr. Bernard Tissier de Mallerais: Durch sein Noviziat die geistliche Lehre der Kirche und die Vorbereitung für die drei Ordensgelübde. Die Tugend des Gehorsams nach der Lehre des hl. Thomas von Aquin.
Schon vorher, in Rom, in seinem Priesterseminar in der Via Santa Chiara, unter der Leitung der Spiritaner-Patres Le Floch, Voegtli und Haegy, erhielt er die Liebe zur Liturgie, den Abscheu gegen den Liberalismus und das Brennen für die Lehre der Päpste. Diese Seminarprofessoren zeigten ihm die Irrtümer der Zeit auf und begeisterten ihn für das soziale Königtum Unseres Herrn Jesus Christus. Dies steht alles in unmittelbarer Beziehung mit dem Priestertum und dem hl. Messopfer. Später machte er seine Erfahrungen als Missionar in Gabun und als Missionsbischof in Dakar im Senegal. Hier war es die Erfahrung der Bekehrung der Heiden durch die Gnade Gottes, besonders durch das hl. Messopfer.

Msgr. Marcel Lefebvre zu Beginn des Schlussevangeliums
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