Die ideale Osterbeichte

„Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider! Bekehrt euch zum Herrn, eurem Gott! Denn gnädig ist er, barmherzig, langmütig, reich an Erbarmen und lässt sich das Unheil gereuen.“ (Joel 2, 13)
Der Schritt in den Beichtstuhl macht vielen Angst. Regelmäßig verschieben sie ihre Beichte. In der Zeit vor oder nach Ostern empfangen sie das Sakrament, aber nur mit Widerwillen und um ihrer Osterkommunionpflicht Genüge zu tun.
Eifrige Gläubige empfangen das Sakrament regelmäßig und oft in kurzen Zeitabständen. Gelegentlich sieht man bei ihnen allerdings ein unvollständiges Verständnis: Der Aspekt der Sündenvergebung steht stark im Vordergrund. Sie beichten lediglich, um die Lossprechung zu erhalten, weil sie mit Gott im Reinen sein und ein gutes Gewissen haben wollen.
Aber schon der Kinderkatechismus über das Bußsakrament zeigt uns, dass der Empfang dieses Sakraments mehr ist als eine Momentaufnahme des Lebens. Als Kinder haben wir die „fünf Bs“ gelernt, die es zu beachten gilt. Vor der Beichte: Besinnen, bereuen. In der Beichte selbst: die Sünden bekennen. Nach der Beichte: die Buße verrichten und uns bessern! Die Beichte will also im Vorfeld vorbereitet sein und ausstrahlen auf die Zeit danach. Sie ist keine Tat, die wir vom Rest unseres Tuns isolieren könnten, sondern hat ihren zentralen Platz im Alltag des Katholiken.
Bewusst handeln, richtig urteilen
So erfordert der gute Empfang des Sakraments, dass ich mich sorgfältig darauf vorbereite. Ich verschaffe mir Klarheit über mein Tun und meine Intentionen. Was habe ich getan und aus welchen Motiven? Wo habe ich versagt und warum? Ich erstelle meine Liste, wäge ab, schätze ein ... Erst jetzt bin ich in der Lage, alles zu beurteilen. Was gelungen ist, macht mir Mut. Das will ich festhalten und weiter ausbauen. Die Fehltritte und die Sünden bereue ich. Das Nachdenken und die Auseinandersetzung mit meinem Tun, mit meinen bewussten und unbewussten Beweggründen, hilft mir, mich selbst besser kennenzulernen. Diese Kenntnis ändert den Blick auf das Leben und beeinflusst das weitere Handeln. Sogar der, der sich auf die Beichte vorbereitet, aber nicht den Mut findet, den Schritt in den Beichtstuhl zu wagen, ist schon ein besserer Mensch. Er lebt bewusster und übernimmt Verantwortung für seine Aktionen.
Die Nähe Gottes verändert alles
Wer darüber hinaus jetzt den Blick auf seinen Schöpfer und Erlöser richtet, geht den entscheidenden nächsten Schritt. Er betrachtet sein Leben nicht mehr nur durch seine eigenen Augen, sondern aus der Perspektive Gottes. Aus diesem Blickwinkel und unter diesem Licht zeigt sich der Wert oder der Unwert des Tuns noch klarer. Der Pönitent bereut seine Fehler, weil sie objektiv schlecht sind, und vor allem, weil sie Gott missfallen. Er mag sich fürchten, seine Verfehlungen klar vernehmlich vor einem Menschen auszusprechen. Aber der Priester ist der Stellvertreter Christi. Im Beichtstuhl ist der Beichtende nur dem Schöpfer die Rechenschaft schuldig. „Gott allein kann Sünden vergeben.“ Von ihm erhält er die Lossprechung und die Chance, den folgenden Schritt in seinem Leben völlig unbelastet zu unternehmen. Das reuevolle Bekenntnis der Sünden und die darauffolgende Absolution bewirken gemeinsam das Wunder. Der Mensch öffnet sich, damit der allmächtige Richter seine verwundete Seele berührt. Der Beichtende erfährt die beglückende Güte und Barmherzigkeit. Durch die Sündenvergebung nimmt Gott einen festen Platz im Leben des Gläubigen ein.
Mit Recht können wir sagen, dass da, wo der Sünder dem Richter reuevoll seine Vergehen bekennt, die Beziehung zu ihm lebendig wird, die Liebe zu Gott und zum Nächsten wächst. Wo hingegen der Mensch nicht mehr beichtet, schwindet der Glaube und lebt der Mensch in zunehmender Gottferne.
Vor dem Angesicht Gottes
Ab diesem Moment hat Gott seinen Platz im Leben des Menschen. Fortan geschieht alles unter seinem Auge. Der Gläubige dreht sich nicht mehr um sich selbst, sondern richtet sich auf Gott aus, ist vom Verlangen beseelt, sich dem Schöpfer dankbar zu zeigen. Er ist stolz darauf, was gelingt und er bereut seine Missetaten. Weil Gott ihm großherzig und verzeihend begegnet, unternimmt er alles in seiner Macht Stehende, um sich der Liebe und Barmherzigkeit Gottes würdig zu erweisen. Er findet Gefallen darin, die ihm auferlegte Buße zu verrichten. Nie verlässt er den Beichtstuhl ohne klar festgelegten Vorsatz und den festen Willen, diesem Entschluss mit der Gnade Gottes treu zu sein.
Die Osterbeichte
Die Vorfastenzeit führt uns in das Wesen der Fastenzeit ein. Der Christ ist der Mensch, der in der Rennbahn den Siegerkranz erwerben will. (Septuagesima) Er erlebt Höhen und Tiefen, erleidet im Kampf des Lebens Schiffbruch und steht wieder auf, um zu siegen. (Sexagesima) Dabei zählt nur eines: die Liebe, die langmütig und gütig ist, die alles duldet, die weder eifersüchtig noch prahlerisch ist und das Böse nie nachträgt. (Quinquagesima) Im Ringen mit sich selbst – den Blick auf Christus gerichtet – erkennt sich der Mensch selbst.
Ideale Osterbeichte
Klare Vorsätze, tägliches Ringen und die Osterbeichte bilden eine Einheit. Zu Beginn der Fastenzeit steckt sich der Christ sein Ziel. Am Aschermittwoch beginnt er seine Anstrengung. An Ostern beichtet er. Es ist falsch, die Bußzeit ausschließlich unter dem Aspekt der Entsagung zu sehen. Der Aufruf „Bekehret euch!“ steht zuerst. Und die Bekehrung darf nicht oberflächlich sein: „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider.“ Der Mensch soll sich mit sich selbst konfrontieren, sein gewohnheitsmäßiges Handeln in Frage stellen.
Der Verzicht auf Kaffee am Morgen oder auf das Glas Wein am Abend, die Entscheidung, an allen Freitagen zu fasten, der Entschluss, jeden Tag einen Betrag für das Fastenopfer auf die Seite zu legen, der feste Wille, immer und überall pünktlich zu sein, der Vorsatz, das Handy und den Computer nach der Arbeit auszuschalten, um ausschließlich und aufmerksam für die Familie da zu sein ... diese und vergleichbare Ziele sind in sich klein und einfach. Die Durchführung hingegen ist es nicht. Sehr schnell kommen wir da an unsere Grenzen.
Ähnlich wie im Kraftsport gilt es in der Fastenzeit, die Fähigkeiten zu trainieren. Zu erfahren, welche Gewichte zu heben wir in der Lage sind, und wo das Limit ist. Wie vergrößern wir die Kräfte? Wann gönnen wir uns Ruhe? Trotz aller Anstrengung und weil wir versuchen, die Grenzen auszuloten, werden wir immer wieder versagen. Wie der Athlet im Training seinen Körper erfährt und seine Beschränkungen erkennt, genauso lernt der Christ sich selbst in der Herausforderung der Fastenzeit besser kennen.
Die ideale Osterbeichte ist darum keine mühsam erstellte, oberflächliche Sammlung von Vergehen des vergangenen Jahres. Noch weniger ist sie das beschämte Eingeständnis, sich in der Fastenzeit kaum bemüht zu haben. Im Gegenteil!
Am Ende der Fastenzeit steht ein reiferer Mensch. Er ist gewachsen, eben weil er sich abgemüht hat und seine Vorsätze einhielt. Er hat dazugelernt und seine Grenzen erfahren. Jetzt gibt er demütig zu, was er nicht vermag. Er betrügt sich nicht mehr selbst, sondern gesteht ehrlich ein, wo er versagt hat. Die Konfrontation mit seiner eigenen Person und mit seinen Schwächen hat ihm gezeigt, wie verwundet er ist. Er will jetzt beichten, aufrichtig und mit großer Reue. Offenherzig bekennt er darum seine Sünden vor Gott. Dort im Sakrament kommt ihm der Heiland entgegen. Der wartet barmherzig auf ihn, um als Arzt seine Seele zu heilen. Die Gnade der Beichte wird ihn beflügeln und ihm Mut geben, sein Leben weiter zu verändern.