Erzbischof Marcel Lefebvre - „Die Kirche hält sich wechselnden Parteiungen fern.“ (Pius XI.)
Hirtenbrief; Dakar, in der Fastenzeit 1955
Wir möchten … die Haltung der Kirche zur Politik genau umreißen und, als logische Folge, zu den politischen Parteien. Im philosophischen Sinn des Wortes, da sie das umfaßt, was zur Regierung des Staates gehört, kann die Politik die Kirche nicht gleichgültig und unentschieden lassen.
Tatsächlich ist der Staat eine Gemeinschaft, die von Gott in die Natur des Menschen hineingelegt wurde, der zum Leben in Gemeinschaft geschaffen wurde. Gott ist also der Begründer der Rechte und Pflichten des Staates. Das Ziel der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Grundgesetze, die Grenzen ihrer Macht und die Reichweite ihrer Pflichten liegen vorgezeichnet in der Natur der Dinge und der Personen, die von Gott erschaffen sind.
Die Kirche hat die Regierungen immer daran gemahnt – ebenso wie deren Führer –, dass sie Gott gegenüber verantwortlich sind, dass die menschliche Person und die Familie von Rechts wegen vor dem Staat kommen und dass dieser sie sich nicht unterjochen oder nach Gutdünken über sie verfügen könne; er kann auch nicht den Bürgern Freiheiten gestatten, die die Leugnung von Gut und Böse nach sich ziehen.
Die politischen Parteien, selbst wenn sie nur das Gemeinwohl zum Ziel haben, stellen freie Meinungsäußerungen dar über die Mittel, mit denen man dieses Gut erreicht. Im Übrigen bestehen ihre Programme allzu oft aus einer Mischung von Wahrheiten und Irrtümern. Außerdem muß man hinzufügen, dass es oft Erklärungen sind, die mehr darauf abzielen, Stimmen der Wähler zu erhalten, als auf das wirkliche Gemeinwohl; wenn sich dahinter nicht gar die Verteidigung schändlicher Interessen verbirgt.
Die Kirche verlangt von ihren Gläubigen, dass sie bei der Erfüllung ihrer Staatsbürgerpflichten immer die Grundsätze vor Augen haben, die die Grundlagen der wahren Gesellschaft bilden, wie sie Gott gewollt hat. Sie mischt sich nur dann ein, wenn völlig perverse Lehren aufgestellt werden, die den Rechten Gottes, der Kirche, der Familie und der menschlichen Person radikal entgegengesetzt sind, wie es beim Kommunismus der Fall ist.
Sie verbirgt nicht ihre Befürchtungen angesichts derjenigen, die diesen Rechten eindeutig entgegengesetzte Bestrebungen verfolgen, dabei aber bleibt sie immer auf der Ebene des Sittengesetzes und der Pflichten Gott gegenüber.
Unser Heiliger Vater, Papst Pius XII., sagt: „Die Kirche hält sich wechselnden Parteiungen fern.
Wenn sie ein Urteil abgibt, so bedeutet das nicht, dass sie eine bis dahin gewahrte Neutralität aufgibt, denn Gott ist niemals gleichgültig den menschlichen Einrichtungen gegenüber angesichts des Ablaufs der Geschichte und aus diesem Grund kann es auch seine Kirche nicht sein.
Wenn sie spricht, so kraft ihrer göttlichen Sendung, die von Gott gewollt ist. Die Kirche kann sich nicht damit zufriedengeben, nach ausschließlich politischen Gesichtspunkten zu urteilen. Sie darf die Anliegen der Religion nicht an Zielen ausrichten, die von rein irdischen Gesichtspunkten bestimmt werden. Sie kann sich nicht der Gefahr aussetzen, dass die Menschen berechtigte Gründe hätten, an ihrer Ausrichtung am Glauben zu zweifeln. Jedoch darf sie keine Augenblick vergessen, dass ihre Eigenschaft als Vertretung Gottes auf Erden es ihr nicht erlaubt, gleichgültig zu bleiben, nicht eine Minute lang, gegen Gut und Böse in den menschlichen Angelegenheiten.“
Nachdem der Standpunkt der Kirche angesichts der Politik und der politischen Parteien so festgelegt ist, fällt es uns leichter, Erkenntnisse zu gewinnen in Bezug auf die gesellschaftliche und politische Frage im etymologischen Sinn, die sich heutzutage in unseren Gegenden Afrikas stellt.
Wer von euch, meine lieben Brüder, hat nicht gelesen oder reden hören von den zahlreichen Lösungen, die für ein besseres gesellschaftliches Zusammenleben vorgeschlagen werden? In diesem Streben nach Entwicklung und Veränderung prallen die Interessen und Leidenschaften aufeinander. Die Volksstämme und Parteien erheben sich gegeneinander.
Wenn man als unparteiischer Zuschauer diese brudermordenden Kämpfe beurteilt, kann man sie nur zutiefst bedauern und denken, dass die Menschen, anstatt sich zu entzweien, sich einigen sollten, anstatt sich zu hassen, sich lieben müssten und gemeinsam darauf hinwirken sollten, dieses Idealbild vom Zusammenleben zu verwirklichen, das die Kirche entsprechend dem göttlichen Wunsch alle Völker gelehrt hat und das sie ihnen immer noch vor Augen stellt.
Dieses Idealbild ist nicht das Ergebnis eines Wunschdenkens oder einer Wirklichkeitsferne, sondern es ist tief im Herzen und im Leib des Menschen verankert. Der Schöpfer wollte dieses Zusammenleben, er hat den einzelnen Menschen alle Voraussetzungen zu diesem Leben in Gemeinschaft mitgegeben.
Durch die Verschiedenheit der Geschlechter schuf er die Familie; durch die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Begabungen, der geistigen, charakterlichen und körperlichen Eigenarten wollte er den Aufbau der staatlichen Gesellschaft in der gegenseitigen Hilfe, in Gedeihen und Frieden.
Wir möchten die Grundvoraussetzungen dieses göttlichen Planes vom Zusammenleben wieder in Erinnerung rufen, den unser Herr Jesus Christus durch sein Kommen wieder erkennen lassen wollte und den auszuführen er uns die Kraft gab.