Die „Didache“ oder „Zwölf-Apostel-Lehre“ ist die älteste Kirchenordnung

Die 12 Apostel
Die Didache ist die älteste uns überlieferte Kirchenordnung. Sie war lange nur in einzelnen Zitaten bei den alten Kirchenschriftstellern bekannt. Erst 1875 wurde sie in der sog. Jerusalemer Handschrift in Konstantinopel entdeckt und herausgegeben. Die Handschrift selbst stammt aus dem Jahr 1056 und nennt die Schrift „Lehre der zwölf Apostel“. Didache ist das griechische Wort für Lehre. Der ursprüngliche Titel scheint „Lehre des Herrn durch die zwölf Apostel an die Heiden“ gewesen zu sein. Für die ersten sechs Kapitel hat man auch noch eine lateinische Handschrift aus dem 11. Jahrhundert in einer Münchner Handschrift gefunden und im Jahr 1900 veröffentlicht.
Was sagen uns die alten Schriften?
Die ersten sechs Kapitel der Didache (= 1. Hauptteil) scheinen eine Ansprache an Täuflinge zu sein. Hier wird dem Weg des Lebens (Kap. 1-4) der Weg des Todes (Kap. 5) gegenübergestellt. Für den Weg des Lebens werden sittliche Vorschriften gegeben, nämlich das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe sowie strenge Warnungen vor Zauberei und Götzendienst.
Hier findet sich auch das erste ausdrückliche Verbot des Kindsmordes: „Du sollst nicht das Kind durch Abtreiben umbringen und das Neugeborene nicht töten“ (2,2). Beides war in der heidnischen Antike völlig üblich. Die Beschreibung des Wegs des Todes enthält dagegen eine Aufzählung von Sünden und Lastern. Auf ihm wandeln diejenigen, „die das Gute verfolgen, die Wahrheit hassen, die Lüge lieben … die kein Mitleid haben mit den Armen, sich nicht annehmen um den Bedrückten, die ihren Schöpfer nicht kennen, ihre Kinder töten, das Gebilde Gottes (im Mutterleibe) umbringen, vom Bedürftigen sich abkehren, den Elenden unterdrücken, den Reichen beistehen, die Armen gegen das Gesetz richten“ (5,1)
Der 2. Hauptteil (Kap. 7-10) gibt Vorschriften über die Spendung der Taufe, über Fasten und Gebet und Gebete über den Kelch und das Brot. Die Taufe soll nach Möglichkeit in „lebendigem“, d. h. in fließendem Wasser gespendet werden, aber es kann auch jedes andere Wasser verwendet werden. Ausdrücklich wird gesagt, dass man die Taufe nicht nur durch Untertauchen, sondern auch durch Übergießen spenden kann. In diesem Fall gilt: „Gieße dreimal Wasser auf den Kopf ‚auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes‘“ (7,3). Im 8. Kapitel werden Mittwoch und Freitag als christliche Fasttage angegeben anstelle des jüdischen Fastens am Montag und Donnerstag. Es folgt das Vaterunser mit der Erweiterung „denn dein ist die Macht und die Ehre in Ewigkeit“ und der Aufforderung, es dreimal am Tag zu beten.
Im 9. und 10. Kapitel finden sich drei Gebete über den Kelch, das Brot und zur Danksagung. Es ist jedoch umstritten, ob dies Eucharistiegebete sein sollen, denn vom Messopfer ist erst im 14. Kapitel die Rede. Die Gebete haben jedenfalls eine auffallende Ähnlichkeit mit zeitgenössischen jüdischen Tischgebeten. Eine mögliche Interpretation besagt, die Gebete bezögen sich auf eine Agapefeier, der die eigentliche Eucharistiefeier erst folgte. Wichtige Argumente dafür sind, dass das Gebet über den Kelch dem Gebet über das Brot vorausgeht, während es in der Messe umgekehrt ist, und dass es keinen Hinweis auf die Einsetzung beim letzten Abendmahl und auf die Passion gibt.
Der 3. Hauptteil (Kap. 11-15) enthält zunächst eine Belehrung über die Aufnahme und Bewirtung der Wanderprediger und Propheten sowie sonstiger zugereister Brüder. Hier wird Güte, aber auch Vorsicht empfohlen, weil es nicht wenige Betrüger gibt. Offenbar gab es viele Schwindler, die die christlichen Gemeinden finanziell ausnützten. Der heidnische Satiriker Lukian zeichnete in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts in seiner Satire „Der Tod des Peregrinus“ die Christen als leichtgläubige Menschen, durch die ein Schwindler in kurzer Zeit reich werden könne.
Die Didache unterscheidet Lehrer, Apostel, Propheten und einfache Christen, die zu einer Gemeinde kommen können:
Die Lehrer sind wahrscheinlich Wanderlehrer, die den einfachen katechetischen Unterricht erteilten. Man soll sie aufnehmen, wenn sie das „zuvor Gesagte“ lehren, also das, was die Didache bisher gelehrt hat. Wenn sie aber eine andere Lehre vortragen, soll man nicht auf sie hören.
Mit den Aposteln sind nicht die eigentlichen Altapostel, sondern wahrscheinlich Wanderprediger mit höherer Autorität gemeint, denn sie sollen „wie der Herr“ selbst aufgenommen werden. Sie sollen aber nur einen oder höchstens zwei Tage bleiben. Es handelt sich offenbar nur um Ruhetage, denn ihr Aufgabengebiet lag nicht in den etablierten Gemeinden, sondern in der Mission. Die Ausnutzung der Gastfreundschaft durch falsche oder faule Apostel machte wohl diese Beschränkung nötig. Deshalb dürfen sie auch nur Proviant für einen Tag fordern. Wer Geld verlangt, hat sich selbst als falscher Prophet entlarvt.
Die Propheten hatten wahrscheinlich die charismatische Gabe der Prophetie, von der Paulus in 1 Kor 14,1 ff. spricht. Die Charismen waren in den ersten Jahrzehnten des Christentums noch häufig. Hier stellte sich aber das Problem, wahre von falschen Propheten zu unterscheiden. Einen Propheten auf die Probe zu stellen, verbietet die Didache und beurteilt das sogar als Sünde gegen den Heiligen Geist. Der wahre Prophet wird vielmehr an seiner Lebensweise erkannt. Er muss die „Lebensweise des Herrn“ (11,8) haben, also selber tun, was er lehrt und uneigennützig sein. Wer die prophetische Rede benutzt, um für sich Essen zu verlangen oder sogar Geld zu fordern, ist ein falscher Prophet.
Auch einfache Christen, die „im Namen des Herrn kommen“ (12,1) sollen aufgenommen werden. Man soll sie aber prüfen, ob sie wirklich Christen sind. Wer nur auf der Durchreise ist, dem soll geholfen werden, aber nur zwei oder höchstens drei Tage lang. Wer sich in der Gemeinde niederlassen will, soll arbeiten.
Wenn er kein Handwerk gelernt hat, soll die Gemeinde schauen, dass er nicht müßig lebt. Dahinter steht wieder die schlechte Erfahrung, dass die Gastfreundschaft ausgenützt wurde. Ein Zugereister, der sich an diese Vorschriften nicht halten will, ist einer, der Christus zu seinem irdischen Vorteil missbraucht und vor dem man sich hüten soll.
Dann folgt im 14. Kapitel etwas über die Feier des Herrentags, d. h. des Sonntags:
„Am Tage des Herrn versammelt euch, brecht das Brot und sagt Dank, nachdem ihr zuvor eure Sünden bekannt habet, damit euer Opfer rein sei. Jeder aber, der mit seinem Freunde einen Streit hat, soll sich nicht bei euch einfinden, bis sie versöhnt sind, damit euer Opfer nicht entweiht werde. Denn so lautet der Ausspruch des Herrn: ‚An jedem Ort und zu jeder Zeit soll man mir darbringen ein reines Opfer, weil ich ein großer König bin, spricht der Herr, und mein Name wunderbar ist bei den Völkern‘ (Mal 1,11.14).“
Hier wird die Eucharistie als jenes Opfer bezeichnet, das der Prophet Malachias vorausgesagt hat. Diese Deutung findet sich auch bei vielen Kirchenvätern. Die Forderung, sich vor dem Opfer zu versöhnen, entspricht Mt 5,23 f.
Im 15. Kapitel werden die Eigenschaften genannt, die Bischöfe und Diakone haben sollen. „Wählt euch Bischöfe und Diakonen, würdig des Herrn, Männer voll Milde und frei von Geldgier, voll Wahrheitsliebe, erprobte; denn sie sind es, die für euch versehen den Dienst der Propheten und Lehrer.“ Die folgende Mahnung, diese nicht zu verachten, scheint ein Hinweis zu sein, dass es in der Vergangenheit schon unwürdige Vertreter gab und dieser Stand darum bisweilen nicht genügend geschätzt wurde. Über die speziellen Aufgaben der Bischöfe und Diakone erfährt man leider nichts.
Nach einer Aufforderung zur brüderlichen Zurechtweisung, die nicht im Zorn, sondern in Frieden geschehen soll, enthält das Schlusskapitel eine Mahnung zur Wachsamkeit angesichts der bevorstehenden Ankunft des Herrn. Die Didache geht aber davon aus, dass der Antichrist noch nicht erschienen ist und die letzten Tage noch nicht gekommen sind.
Entstehungsgeschichte
Nach allgemeiner Einschätzung wurde die Didache Ende des 1. oder Anfang des 2. Jahrhunderts verfasst. Da man allerdings nur innere Gründe anführen kann, gibt es aber immer noch Autoren, die das Werk entweder in die apostolische Zeit oder in die 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts, ja sogar in die Mitte des 3. Jahrhunderts datieren wollen. Da Klemens von Alexandrien (ca. 150-211/16) wahrscheinlich aus der Didache zitiert, ist eine Abfassung nach seiner Zeit sicher auszuschließen. Die Didache macht überhaupt einen altertümlichen Eindruck. So unterscheidet sie (wie das Neue Testament) nur Bischöfe und Diakone, wohingegen in den Briefen des hl. Ignatius von Antiochien die Gliederung der Gemeindehierarchie in Bischof, Presbyter und Diakone schon selbstverständlich ist.
Auch der Entstehungsort ist unsicher. Viele der ersten Textzeugen stammen aus Ägypten, was aber vielleicht eher etwas über die Rezeption der Kirchenordnung als über ihre Entstehung sagt. Die Mehrheit der Forscher gibt Syrien/Palästina den Vorzug, besonders wegen der besonderen Betonung des Wandercharismatikertums (Did. 11-13; 15,1), das in diesem Raum besonders lebendig war und sich wahrscheinlich am längsten hielt. Das könnte auf eine Zeit hinweisen, in der noch nicht alle Gemeinden einen Bischof, Priester und Diakone hatten, spricht also ebenfalls für eine frühe Abfassung der Didache gegen Ende des 1. Jahrhunderts.