Das „Testament“ von Weihbischof Bernard Tissier de Mallerais

Seine Predigt in Ecône am 9. Dezember 2012
Der Tod von Msgr. Bernard Tissier de Mallerais hat zweifellos eine Lücke im Priesterseminar von Ecône, seinem letzten Wohnsitz, hinterlassen, aber offensichtlich auch im Herzen jedes Mitglieds der Priesterbruderschaft St. Pius X., zu deren Initiatoren er gehörte. Denn er war einer der allerersten Seminaristen, die sich Ende der 60er Jahre an Erzbischof Marcel Lefebvre wandten, um ihn eindringlich zu bitten, sie zu wahrhaft katholischen Priestern zu formen.
Msgr. Tissier de Mallerais war während seines Priesterlebens und in den Anfängen seines Episkopats oft an der Seite unseres verehrten Gründers und folgte seinen Spuren mit kindlicher Hingabe, so dass er, wie wir alle wissen, eine umfangreiche Biografie schrieb, die zweifellos das Standardwerk bleiben wird, wenn man Erzbischof Marcel Lefebvre und sein Werk kennenlernen möchte.
An dieser Stelle soll Weihbischof Tissier de Mallerais direkt zu Wort kommen, nämlich durch einen Auszug aus einer Predigt, die er am 9. Dezember 2012 in Écône gehalten hat. Es ist ein spirituelles Testament, in dem er die Gründe darlegt, dem Werk der Bruderschaft St. Pius X. treu zu bleiben. Warum halten wir unbeirrbar an der Lehre der Päpste fest? Warum verharren wir im geistlichen Erbe des Erzbischofs?
[...] „Liebe Gläubige, warum liebe ich die Priesterbruderschaft St. Pius X.? Zunächst einmal liebe ich sie, weil sie am 1. November 1970 von Bischof Charrière von Freiburg als Gesellschaft des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde – und damit von der Kirche – approbiert wurde. Sie wurde von der Kirche anerkannt und dann zu Unrecht aufgehoben, ungültig aufgehoben. Sie existiert kanonisch immer noch, diese Bruderschaft St. Pius X., egal, was andere sagen. Ich liebe sie also, weil sie von der Kirche approbiert wurde.
Ihr Gründer, Erzbischof Marcel Lefebvre, sagte es uns: „Ich hätte niemals etwas ohne die Erlaubnis eines Ortsbischofs getan.“ Er erhielt die Erlaubnis des Bischofs von Freiburg in der Schweiz. Warum die Schweiz? Als Belohnung für die Großzügigkeit der Schweizer Katholiken für die Missionen in Dakar, weil die Großzügigkeit der Schweizer Katholiken die Missionsarbeit und die Kirche in Fatick im Senegal finanziert hatte. Und um ihrem Bischof, speziell Bischof Charrière aus Freiburg, zu danken, lud Bischof Lefebvre ihn ein, in den Senegal zu kommen und das Gotteshaus in Fatick feierlich zu weihen. Und von da an waren sie Freunde geblieben, Bischof Charrière und Erzbischof Lefebvre. Als Monseigneur 1969 beim Ordinariat in Freiburg vorstellig wurde, wurde er vom Ortsbischof mit offenen Armen empfangen. Der Bischof von Freiburg erlaubte ihm, seinen Weinberg, d.h. sein Seminar in Freiburg und seine Bruderschaft, in der Schweiz zu pflanzen. So war es der Lohn für die Großzügigkeit der Schweizer Katholiken. So wirkte die die Vorsehung. Das ist der Grund, warum ich die Bruderschaft liebe. Sie ist eine Belohnung des lieben Gottes.
Zweitens, weil diese Bruderschaft das gemeinsame Leben des Klerus fördert, d.h. dass die Priester gemeinsam leben und arbeiten. Das war in der Kirche nicht üblich, und doch war es die beste Tradition der Kirche. Die Priester sollten in Gemeinschaft leben, so wie wir es tun, d.h. ein gemeinsames Leben am Tisch und in den privaten Räumen, wenn man so will, aber vor allem aber im Gebet und im Apostolat. Drei Horen des Breviers und der der Rosenkranz werden täglich gemeinsam gebetet. Das Apostolat wird gemeinsam ausgeübt und gemeinsam organisiert. Es geht um die Heiligkeit und eine größere Wirksamkeit. Es war eine geniale Idee von Erzbischof Lefebvre: eine Gesellschaft des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde.
Ich liebe die Bruderschaft auch, weil sie das Ordensleben um sich herum gefördert hat: unsere Oblatinnen, die Schwestern der Bruderschaft, unsere Brüder und eine Menge anderer Ordensgemeinschaften haben sich im Schatten der Priesterbruderschaft St. Pius X. entwickelt. Deshalb liebe ich die Bruderschaft, weil sie das Ordensleben liebt.
Ich liebe die Priesterbruderschaft, weil sie priesterlich ist. Das ist das Wesentliche, das ist ihre Definition, denn die Krise der Kirche – oder sagen wir die Krise in der Kirche – ist ganz einfach eine Krise der priesterlichen Identität. Als die Priester aus den Augen verloren haben, wofür sie geweiht worden sind, haben sie zuerst die Soutane abgelegt, dann die lateinische Sprache aufgegeben und dann alles andere. Und schließlich haben sie ihr Herz weggeworfen, sie haben ihren Glauben weggeworfen. Damals sagte Erzbischof Lefebvre: Nein, das Priestertum muss in seiner lehrmäßigen Reinheit und seiner missionarischen Liebe erhalten bleiben. Die Bruderschaft St. Pius X. ist priesterlich, weil sie ihr Dasein der Feier des Messopfers gewidmet hat, dem sozialen Königtum unseres Herrn Jesus Christus, weil Jesus am Holz seines Kreuzes und damit durch die Messe, die die sakramentale Fortsetzung des Opfers von Golgatha ist, geherrscht hat und herrscht. Deshalb liebe ich die Priesterbruderschaft St. Pius X., weil sie wirklich priesterlich ist.
Ich liebe die Priesterbruderschaft St. Pius X.,weil sie den heiligen Pius X., den letzten kanonisierten Papst, als Patron hat, der sich mit all seiner Sorgfalt seinen Priestern, den Priestern der katholischen Kirche, gewidmet hat, auch durch sein Mahnschreiben Haerent animo, das eine wunderbare Zusammenfassung des priesterlichen Geistes ist. Weil der heilige Pius X. den Modernismus verurteilte, indem er warnte, dass diese Häresie im Schoß und in den Adern der katholischen Kirche lebendig war. Es war klar, es würde nicht an einem Tag geschehen, dass der Modernismus entwurzelt werden könnte. Und zuletzt, weil St. Pius X. die Ordnung in der Kirche wiederhergestellt hat – und das ist es, was uns heute fehlt. Deshalb liebe ich die Bruderschaft.
Ich liebe die Priesterbruderschaft St. Pius X., weil ihr Gründer, Erzbischof Lefebvre, uns eine Ordnung gegeben hat, uns Statuten bzw. Konstitutionen und sehr weise Regeln gegeben hat, die Rom in einem Brief von Kardinal Wright, dem Präfekten der Kongregation für den Klerus, im Jahr 1971 genehmigt, ja sogar als sapientes normae belobigt hat. Ein Lob der Konstitutionen der Bruderschaft, die auf zwanzig Seiten Platz finden, auf zwanzig Seiten wie eine Zusammenfassung priesterlicher Spiritualität, in der alles gesagt ist. Und wir leben auch jetzt noch davon, ohne etwas geändert zu haben. Es funktioniert einfach. Wer hat das geschrieben? Erzbischof Lefebvre, an einem Tag in Rom. Ist das nicht wunderbar?
Ich liebe die Priesterbruderschaft, weil sie das Ideal der Priesterausbildung in den traditionellen Seminaren weitergeführt hat. So wie es in den Seminaren immer gemacht wurde, d.h. Lehre und Frömmigkeit miteinander zu verbinden. Die Frömmigkeit, die fest auf die Lehre gegründet ist und ein liturgisches Leben führt und die schönen und feierlichen Zeremonien sehr liebt. Deshalb liebe ich die Bruderschaft St. Pius X.
Ich liebe die Bruderschaft auch, liebe Gläubige, weil Erzbischof Lefebvre mit einer genialen Intuition ein „Spiritualitätsjahr“ als eine Art Noviziat eingeführt hat, um jungen Seminaristen ein geistliches Leben und die Prinzipien zu erklären, und sie diese Prinzipien des katholischen spirituellen Lebens leben zu lassen: die Prinzipien der Kirche und nicht die Prinzipien von Erzbischof Lefebvre. Nein, es sind die Prinzipien der Kirche und unseres Herrn Jesus Christus.
Ich liebe die Priesterbruderschaft St. Pius X. auch deshalb, weil Erzbischof Lefebvre die geniale Idee hatte, dass die Seminaristen – neben der Summa des hl. Thomas – in einem besonderen Kurs über die „Akte des Lehramtes“ unterrichtet werden.
Dieser Kurs lehrt den Inhalt der Enzykliken all jener großen Päpste, die vom 19. Jahrhundert bis zum Vorabend des Konzils die Lehre der Kirche über die modernen Irrtümer – den Liberalismus, den Modernismus und den Sozialismus – weitergegeben hatten. Die Seminaristen schöpfen diese Lehre aus den Enzykliken der großen Päpste, der wahren Nachfolger Petri.
Ich liebe die Bruderschaft auch, weil die göttliche Vorsehung den ehrwürdigen Pater Ludovic Marie Barrielle, den Prediger der Exerzitien des heiligen Ignatius, nach Ecône geführt hat. Durch ihn lieben wir den heiligen Ignatius und sind in der Lage, das zu tun, wozu früher nur die Jesuiten als Spezialisten in der Lage waren. Wir sind in der Lage, die Exerzitien des heiligen Ignatius zu predigen. Ist das nicht außergewöhnlich, liebe Gläubige? Und Sie alle sind eingeladen, oft die Exerzitienhäuser zu besuchen, in denen diese Übungen des heiligen Ignatius gepredigt werden: Die Exerzitien sind wahre Wunder, nicht nur, um Sünder zu bekehren, sondern um Heilige zu formen. Nehmen sie an den Exerzitien des heiligen Ignatius teil. Melden sie sich in den Exerzitienhäusern, hier in Enney oder in Frankreich, für geistliche Übungen an.
Schließlich liebe ich die Bruderschaft, liebe Gläubige, weil sie in den Kampf des Glaubens geworfen wurde. Sie war nicht voreingenommen, sie hat sich nicht davor gefürchtet, sich mutig in den Kampf des Glaubens zu stürzen, zu dem uns der Apostel Paulus aufruft, auch auf die Gefahr hin, ungerecht und nichtig verurteilt zu werden.
Wir befinden uns auch jetzt noch im Kampf des Glaubens. Gott sei Dank.
So ist sie, wie sie ist, trotz ihrer selbst. Denn sie wurde nicht gegründet, um zu kämpfen, sie wurde gegründet, um das Priestertum weiterzugeben. Trotz ihres Wesens ist die Bruderschaft gerne zur Kriegerin geworden. Ich liebe die Bruderschaft, weil sie Kriegerin ist, weil sie einen Krieg für Christus, den König, führt. Und das ist nicht wenig.
Ich liebe die Bruderschaft, sozusagen, um alles zusammenzufassen, weil sie die letzte Bastion ist, die übrig bleibt, um Widerstand zu leisten, um durchzuhalten. Sie sagt „Nein“ zum konziliaren und postkonziliaren Abfall. Diese letzte Bastion ist kostbar, und unsere erste Pflicht ist es daher, sie vor allen modernistischen Infektionen zu schützen. Unsere erste Pflicht ist es, diese Bastion für die Zukunft, für die Kirche, zu bewahren“. [...]