Altes Testament und Archäologie: 9. Die Reichsspaltung

Die Anbetung des goldenen Kalbes
Von Pater Matthias Gaudron
Nach dem Tod Salomos spaltete sich das Reich. König über das Nordreich wurde Jerobeam und dem Sohn Salomos verblieb nur das Stammesgebiet von Juda und Benjamin.
Jerobeam war unter Salomo Aufseher über die Fronarbeiter der Nordstämme gewesen. Der Prophet Ahija aus Schilo verkündete ihm, dass er König über zehn Stämme werden sollte. Als Salomo davon erfuhr, ließ er Jerobeam verfolgen, aber dieser flüchtete zum Pharao Schischak (oder Schoschenk), der in Ägypten gerade die 22. Dynastie begründete, die die 21. von Salomos Schwiegervater Siamun ablöste. Nach Salomos Tod 930 v. Chr. kehrte Jerobeam nach Israel zurück und sammelte Anhänger. Wegen des unklugen Verhaltens des Salomo-Sohns Rehabeam schlossen sich tatsächlich zehn Stämme Jerobeam an.
Rehabeam war der Sohn einer heidnischen Ammoniterin und zu einer religiösen Reform nicht in der Lage. Die Bibel klagt, dass die Israeliten unter ihm alle Gräuel der von ihnen vertriebenen Heidenvölker nachahmten (1 Kön 14,22-24).
Der Feldzug des Pharaos
Nach vier Jahren unternahm der Pharao Schischak einen Feldzug gegen die beiden Teilreiche (2 Chr 12). Auf der Südmauer des Tempels in Karnak zählte Schischak 130 eroberte Städte auf, auch solche, die zum Nordreich gehörten.
Man kann vermuten, dass dieser Feldzug etwas mit dem Asyl Jerobeams in Ägypten zu tun hatte. Möglicherweise war von Jerobeam erwartet worden, dass er König des gesamten Reichs werden und es als Vasall der Schutzmacht Ägypten unterwerfen sollte. Weil er dies nicht erfüllte, führte der Pharao dann einen Feldzug gegen beide Reiche; oder der Feldzug galt zwar an sich dem Südreich, aber Jerobeam musste dem Pharao auch Städte seines eigenen Reichs abtreten.
König Rehabeam gelang es, wenigstens Jerusalem zu retten. In 2 Chr 12,9 heißt es allerdings, dass der Pharao sämtliche Schätze des Tempels und des königlichen Palasts raubte. Wahrscheinlich hatte Rehabeam sich durch die Auslieferung der Schätze freigekauft, so dass Jerusalem verschont blieb. Pharao Schischak starb noch im Jahr seiner Rückkehr nach Ägypten, aber seine Söhne scheinen Gold und Silber in Fülle besessen zu haben. Die 22. „libysche“ Dynastie mit ihrer Hauptstadt Tanis war ein letzter Höhepunkt vor dem Niedergang Ägyptens. Ein Großteil dieses Reichtums dürfte auf den Palästina-Feldzug Schischaks zurückgegangen sein.
In 2 Chr 11 wird berichtet, dass Rehabeam viele Städte Judas befestigte und zu Festungen mit Vorratslagern ausbauen ließ. Eine besondere Rolle kam dabei Lachisch zu. Diese Stadt bewachte die Schefela, das Hügelland zwischen dem Gebirge Juda und der Ebene am Mittelmeer. Es war die Kornkammer des Landes und kontrollierte den Weg von und nach Ägypten. Unter Rehabeams Nachfolgern Asa und Josaphat wurden die Bauarbeiten fortgesetzt, so dass Lachisch zur Trutzburg und zweiten Hauptstadt des Südreichs wurde.
Die goldenen Kälber
Auch Jerobeam baute sein Königreich aus. Er machte zuerst Sichem zu seiner Hauptstadt und befestigte dann Penuel auf der anderen Seite des Jordans (1 Kg 12,25), wahrscheinlich um einen Stützpunkt im Ostjordanland zu haben. Später wurde Tirza (10km nordöstlich von Sichem) seine Residenz (1 Kg 14,17).
Weil er fürchtete, dass seine Untertanen durch die Wallfahrt nach Jerusalem wieder unter den Einfluss des Südreichs kommen würden, errichtete er zwei Tempel, in denen jeweils ein goldenes Kalb verehrt wurde, und zwar in Dan, ganz im Norden des Reichs, und in Bet-El, das etwa 19 Kilometer nördlich von Jerusalem gelegen haben muss. Die genaue Lage kennt man nicht, und weil es im Palästinensergebiet liegt, kann man dort keine Ausgrabungen machen. Den Tempel in Dan hat man dagegen ausgegraben. Jerobeam sagte zum Volk: „Ihr seid nun lange genug nach Jerusalem hinaufgepilgert. Siehe da, Israel, hier ist dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat“ (1 Kön 12,28). Er errichtete zusätzlich noch Heiligtümer auf Anhöhen, bestellte dafür Priester, die nicht aus dem Stamm Levi waren, und opferte sogar selbst.
Samaria – die neue Hauptstadt des Nordreichs
Jerobeams Sohn Nadab wurde schon nach zweijähriger Regierung von Bascha ermordet, und dieser rottete dann das ganze Geschlecht Jerobeams aus. Baschas Sohn Ela wurde durch Zimri ermordet, und dieser wieder durch Omri, den Oberkommandanten des Heeres. Omri verlegte die Hauptstadt von Tirza nach Samaria, das er auf einer Anhöhe erbaut hatte (1 Kön 16,23-24).
Samaria blieb die Hauptstadt des Nordreichs bis zur Wegführung ins Exil. Die Lage war für eine Festung und Hauptstadt günstig, denn die Anhöhe erhebt sich etwa 340 Meter aus einem mehr als acht Kilometer breiten Talkessel. Ausgrabungen zu Beginn des 20. Jh. haben gezeigt, dass hier vorher nur ein Landgut mit in den Felsen geschlagenen Zisternen, Ölpressen und Weinkeltern gewesen war.
Ahab, Isebel und Elias
Omris Sohn war Ahab. Er regierte 22 Jahre über das Nordreich und gilt als einer der schlechtesten Könige. Die Bibel berichtet über ihn:
„Auch Ahab, der Sohn Omris, tat, was dem Herrn missfiel, mehr als alle seine Vorgänger. Dabei war es noch das Geringste, dass er in den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, wandelte. Er nahm überdies Isebel, die Tochter Etbaals, des Königs der Sidonier, zur Frau, wandte sich dem Dienst des Baal zu und betete ihn an. Er errichtete dem Baal einen Altar in dem Baalstempel, den er in Samaria erbaut hatte. Auch ließ Ahab ein Ascherabild errichten. Überhaupt verübte Ahab noch mehr Frevel und reizte den Herrn, den Gott Israels, mehr zum Zorn als alle Könige Israels, die vor ihm geherrscht hatten“ (1 Kg 16,30-33).
Etbaal soll ein Priester der Astarte gewesen sein. Er übernahm die Macht in Tyrus, indem er seinen Vorgänger ermordete. Von seiner Tochter Isebel heißt es, dass sie die Propheten des Herrn ausrottete (1 Kön 18,4). Das rief den Propheten Elias auf den Plan, der Ahab eine Dürre ankündigte, während Elias selbst am Bach Kerit (im heutigen Jordanien) von Raben ernährt wurde. Als der Bach austrocknete, ging er zu einer Witwe in Sarepta (im heutigen Libanon), deren Sohn er auferweckte. Dann kam es zu dem Gottesurteil, bei dem Elias Feuer vom Himmel rief und anschließend die Baalspriester ermorden ließ. Das war auf dem Berg Karmel, wo heute ein Kloster der Unbeschuhten Karmelitinnen steht, dessen Name Muhraqa „Das Opfer“ bedeutet.
Rein innerirdisch gesehen scheint Ahab ein fähiger Herrscher gewesen zu sein, der viel baute, Pferdezucht betrieb und dadurch eine große Macht an Streitwagen hatte. Zu seiner Zeit betrat die aufstrebende Großmacht Assyrien erstmals das Land der Bibel. Nur am Rand erwähnt die Bibel einen Schatz Ahabs, der sich bis heute erhalten hat: „Die übrige Geschichte Ahabs und alle seine Taten sowie der Bau des Elfenbeinpalastes und die Befestigung all der Städte, ist aufgezeichnet im Buch der Geschichte der Könige von Israel“ (1 Kön 22,39). In Samaria hat man 500 Elfenbeinschnitzereien gefunden, die wahrscheinlich einer phönizischen Werkstatt entstammen.
Man hat in Israel zudem Tausende von Siegeln und Siegelabdrücken gefunden. 99% tragen Männernamen – von Königen, Priestern, Kaufleuten, Hofbeamten, Gutbesitzern usw. Nur 35 gehörten einst einer Frau, und zwar immer hochgestellten Frauen. Darunter hat man das Siegel gefunden, das einst der berühmt-berüchtigten Königin Isebel gehörte. Es ist deutlich größer als ein normales Siegel und zeigt eine liegende Sphinx, eine geflügelte Sonnenscheibe, ein Lebenskreuz, eine Uräusschlange (Zwillingskobra) und einen Horusfalken. Dazwischen sind die phönizischen Schriftzeichen Y-Z-B-L für Yzebel eingraviert. Nach Ansicht der Experten gibt es keinen Zweifel an der Echtheit. Auch das Siegel Ahabs hat man gefunden.
In Jesreel, einer von ihm erbauten Festung, wollte Ahab den Weinberg Nabots kaufen, um ihn in einen Gemüsegarten umzuwandeln. Er bot Nabot einen anderen Weinberg oder Geld dafür an, aber Nabot wollte das Erbland seiner Väter nicht verkaufen. Daraufhin zettelte Isebel eine Intrige gegen Nabot an. Man beschuldigte ihn, Gott und den König gelästert zu haben und steinigte ihn, worauf Ahab den Weinberg an sich nahm. Aber Gott rief den Propheten Elias und ließ Ahab ankündigen: „An der Stelle, an der die Hunde das Blut Nabots geleckt haben, sollen die Hunde auch dein Blut lecken!“ (1 Kön 21,19) So geschah es nach der Niederlage Ahabs gegen die Aramäer.
Tatsächlich ging es dann mit dem ganzen Haus Ahab bergab. Sein Sohn Ahasja starb nach nur zweijähriger Regierung, weil er durch das Gitter seines Obergemachs fiel (2 Kg 1,2). An seine Stelle trat sein Bruder Joram.
Jehu und seine Söhne
Das Strafgericht vollzog dann der von Elisäus heimlich zum König gesalbte Jehu. Er tötete den verwundeten Joram und gleich noch dessen Schwager Ahasja, den König von Juda, der Ahasja in Jesreel besucht hatte. Jehu ließ dann die Isebel aus dem Fenster werfen und alle 70 Söhne Ahabs ermorden und überhaupt alle, die zum Haus Ahab gehörten, ausrotten.
Er rottete auch die Baals-Diener aus, ließ aber nicht von der Sünde Jerobeams, den beiden Kälbern, ab. Sein Reich wurde durch die Aramäer deutlich verkleinert, die unter Hasael östlich des Jordans alles verwüsteten. Um weiteren Angriffen zu entgehen, wurde Jehu offenbar Vasall des Assyrerkönigs Salmanassar III., der 840 v. Chr. Krieg gegen Aram-Damaskus führte. Das steht zwar nicht in der Bibel, aber auf einer Marmortafel aus Assur, die ein offizieller Kriegsbericht ist und die heute im Irakischen Museum in Bagdad ist: „Ich empfing Tributzahlungen … von Jehu aus dem Hause Omri.“ Das berühmteste Zeugnis dieser Unterwerfung ist aber der Schwarze Obelisk, der 1846 in Nimrud entdeckt wurde und sich heute im Britischen Museum in London befindet. Jehu wirft sich hier vor dem Assyrer auf den Boden: „Tribut von Jehu, dem Sohn Omris: Silber, Gold, eine Schale aus Gold, Eimer aus Gold, Zinn, ein Zepter für die Hand des Königs und Jagdspieße erhielt ich von ihm.“ Nach dem Tod Salmanassars und Jehus griff Aram aber Israel wieder an.
Es kam trotzdem nochmals zu einer kurzen Blüte. Der Enkel Jehus, Joasch, ging zum Propheten Elisäus, als dieser im Sterben lag, und Elisäus verhieß ihm einen dreifachen Sieg über die Aramäer (2 Kg 13,14 ff). Damit konnte er die eroberten israelitischen Städte zurückgewinnen. Als der König von Juda, Amazja, ihn angriff, besiegte er ihn, riss einen Teil der Jerusalemer Stadtmauer ein und plünderte den Tempel.
Sein Sohn regierte als Jerobeam II. 41 Jahre über Israel. Er eroberte sogar die Hauptstadt der Aramäer, Damaskus. Obwohl er in der Bibel getadelt wird, weil er in religiöser Hinsicht nicht gut war, dehnte er die Südgrenze seines Reiches bis zur Nordspitze des Toten Meers aus. Die Warnungen des Propheten Amos (6,4-6) zeugen vom Wohlstand dieser Ära, die ein letztes Aufleuchten vor dem endgültigen Untergang war.
Diese kurze Blütezeit verdankte sich einer vorübergehenden Schwächung Assyriens durch die Expansion seines nördlichen Nachbarn Urartu (Armenien). Als diese Krise überwunden war und mit Tiglat-Pileser III. (745–726), den die Bibel mit seinem babylonischen Krönungsnamen Pul oder Pulu nennt, wieder ein starker Herrscher regierte, kam das Ende bald.