50 Jahre Schwestern der Priesterbruderschaft - Ein Gespräch mit Mutter Marie Jean
Ehrwürdige Mutter Marie Jean, am 22. September 1974 – also vor 50 Jahren – erhielt die erste Postulantin aus den Händen von Erzbischof Lefebvre das Ordenskleid der Schwestern der Priesterbruderschaft St. Pius X. Diese Gründung entsprang dem Wunsch ihres verehrten Gründers, aber auch dem Wunsch junger Mädchen, die sich im Dienst des katholischen Priestertums engagieren wollten. Können Sie ein wenig über diese "erste Stunde" der Kongregation erzählen?
Tatsächlich hatte der Erzbischof bereits die Idee, eine Kongregation von Ordensfrauen zu gründen, die durch ihre Gebete und Werke das Apostolat seiner Priester unterstützen sollten: In den Statuten der Priesterbruderschaft, die er 1970 verfasste, erwähnte er "angegliederte Ordensfrauen, wenn Gott sie erweckt." Er wartete, wie es seine Gewohnheit war, auf die Zeichen der Vorsehung und diese ließen nicht lange auf sich warten. Drei Jahre später, als er in Australien war, bat ihn ein Mädchen, der Kongregation beizutreten, die es damals noch gar nicht gab. "Sie existierte nur in meinem Kopf", erzählte uns der Erzbischof später mit einer Prise Humor. Er verfasste unsere Konstitutionen und beauftragte seine Schwester, Mutter Marie Gabriel, mit der Ausbildung der Ordensanwärterinnen.
Die erste Einkleidung, die am 22. September 1974 in Ecône stattfand, wurde zur Geburtsstunde unserer Kongregation.
An der Seite des Gründers steht Mutter Marie Gabriel. Erzbischof Marcel Lefebvre rief seine Schwester, ihn beim Gründungswerk zu unterstützen. Können Sie ihr Leben und ihre Bedeutung kurz skizzieren?
Mutter Marie Gabriel wurde 1907 als viertes Kind der Familie Lefebvre geboren, gleich nach dem Erzbischof. Während einer Pilgerreise ins Heilige Land entdeckte sie ihre Berufung und entschied sich, bei den Schwestern vom Heiligen Geist einzutreten, dem weiblichen Zweig der Spiritanerpatres, wo bereits ihre Brüder René und Marcel waren. In dieser missionarischen Kongregation legte sie 1930 ihre Profess ab.
Nachdem sie eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert hatte, wurde sie nach Afrika berufen, wo sie den Großteil ihres Lebens als Missionarin verbrachte.
In Kamerun hat sie einen wichtigen Anteil an der Ausbildung der jungen einheimischen Kongregation der Töchter Mariens.
Von 1955 bis 1965 war sie Generalassistentin ihrer Kongregation. So bereitete Gott sie durch all diese Ämter auf ihre zukünftige Aufgabe als Mitbegründerin vor.
Am Ende ihrer Amtszeit als Assistentin bat sie darum, wieder eine einfache Ordensfrau werden zu dürfen, und wurde in den Senegal geschickt, wo sie schmerzlich mit ansehen musste, wie sich ihre Gemeinschaft infolge der nachkonziliaren Entgleisungen veränderte. In dieser Zeit rief Erzbischof Lefebvre sie zu Hilfe bei der Gründung der Schwestern der Priesterbruderschaft St. Pius X. Das Verlassen ihrer Kongregation war für sie ein großes Opfer, aber sie sah darin den Willen Gottes und schloss sich mit der Erlaubnis ihrer Oberinnen ihrem Bruder an.
Als sie im Januar 1974 in Albano ankam, organisierte sie das Haus, das zur Wiege der Kongregation wurde.
Sie gab sich mit Begeisterung der Ausbildung unserer ersten Schwestern hin und vermittelte ihren religiösen Geist durch ihr Beispiel und ihre Lehren.
Am 26. Januar 1987 übergab sie in der Abtei St. Michael, unserem Mutterhaus, ihre Seele friedlich Gott.
Für unsere Gründerin waren bestimmte Tugenden charakteristisch: Sie war tief religiös, sehr großzügig und fröhlich, ganz Gott und dem Nächsten hingegeben.
In den Anfängen eines solchen Werkes verbergen sich immer große Gnaden, die es für die Kirche fruchtbar zu machen gilt. Was ist die tiefere Natur der Schwestern der Bruderschaft?
Die Geburt der Schwestern der Bruderschaft fällt, wie die der Priester, mitten in die Krise der Kirche. Um das authentische Priestertum zu retten, um die heilige Messe, das Herz unserer Religion, zu bewahren, sah sich der Erzbischof durch die Vorsehung veranlasst, die Priesterbruderschaft St. Pius X. zu gründen. Die Schwestern der Priesterbruderschaft St. Pius X. stehen in derselben Liebe zur Heiligen Messe und zu den Priestern. Sie verehren das heilige Messopfer zutiefst und haben jeden Tag eine Stunde der sühnenden Anbetung, in der sie im Geiste am Fuße des Kreuzes an der Seite Unserer Lieben Frau stehen, deren Mitleiden sie teilen und weiterführen, wobei sie besonders für die Priester beten. Das ganze Leben der Schwestern der Bruderschaft ist somit auf das Priestertum ausgerichtet: sei es durch ihr Gebet, die Hingabe ihres Ordenslebens, wie auch durch ihre apostolische Tätigkeit, die "das Ziel hat, das priesterliche Apostolat zu erleichtern und zu ergänzen".
Die Schwestern wurden unter die Schirmherrschaft Unserer Lieben Frau vom Mitleiden und des heiligen Pius X. gestellt. Welche Gnaden sehen Sie darin für das geistliche Leben der Schwestern?
Das erste Patronat unserer Kongregation ist das von Unserer Lieben Frau vom Mitleiden. Denn wer könnte uns besser als Unsere Liebe Frau helfen, uns in der Messe in Einheit mit dem göttlichen Opfer darzubringen, wenn nicht sie, die mehr als jeder andere das Opfer ihres göttlichen Sohnes verstanden hat und sich ihm auf die innigste Weise angeschlossen hat, die möglich ist? Unsere Kongregation ist zutiefst marianisch.
Wir stehen auch unter dem Patronat des heiligen Pius X.: Da unsere Kongregation von Gott in dieser Zeit der Glaubenskrise infolge der modernen Irrtümer erweckt wurde, wollte der Erzbischof, dass dieser große Heilige und letzte heiliggesprochene Papst unser Vorbild sei und uns helfe, unseren Glauben unversehrt zu bewahren, da er die Irrtümer, unter denen die Kirche heute leidet, so klar verurteilt hat.
Eine Berufung zum Priester versteht jeder; eine Berufung zum Ordensleben kann jedoch ein wenig wie ein Mysterium erscheinen. Was ist eine Ordensberufung?
Die Berufung zum Ordensleben ist die freie Antwort auf einen ganz und gar aus freien Stücken erfolgenden Ruf Gottes, der eine Seele dazu einlädt, ihn mehr zu lieben, bis dahin, alles zu verlassen, um ihm zu folgen:
"Warum seid ihr hierher gekommen?", fragte Erzbischof Lefebvre 1974. "Weil ihr in euch einen Ruf des Guten Gottes verspürt habt: ‚Liebe mich mehr als die anderen, gib dich mir ganz hin, nicht nur ein bisschen, sondern ganz; dein ganzes Leben, deine ganze Aktivität, wirst du mir schenken.‘ Dieser Ruf ertönte in euren Herzen, ihr habt ihn gehört, ihr habt euch gesagt: Warum sollte ich unserem Herrn nicht mehr, vollständiger folgen? Das ist die Berufung."
Dieser Ruf kann sich je nach Seele auf vielerlei Weise bemerkbar machen. Es ist immer eine bevorzugende Liebe seitens unseres Herrn: Er behält der Seele, die er sich zur Braut erwählt hat, auserlesene Gnaden vor. Wenn wir nur wüssten, welchen Preis und Wert eine Berufung hat, ein Leben, das so ganz Gott geschenkt und geweiht ist und das durch seine Treue – in manchmal ganz gewöhnlichen und verborgenen Aufgaben – Gott eine sehr große Ehre erweist und so sehr zum Heil der Seelen beiträgt!
Unser Herr ruft weiterhin Seelen dazu auf, ihm ganz zu gehören, ihm Liebe um Liebe zu erwidern; mögen diese Seelen großzügig auf diese Gnade antworten, die ihr größtes Glück in Zeit und Ewigkeit sein wird!
Einige Schwestern sind bereits in die Ewigkeit gegangen. Vita mutatur, non tollitur. Was ist die tiefere Bedeutung der Erinnerung an die Schwestern, die Ihnen im zeitlichen Leben vorausgegangen sind?
Nachdem Mutter Marie Gabriel zu Gott heimgerufen wurde, haben uns vier Schwestern verlassen, um zu ihr in die Ewigkeit zu gehen. Von dort aus warten sie auf uns; und wir glauben, dass sie über unsere Kongregation wachen und für uns beten. Der Erzbischof wollte, dass wir unseren Blick stets "auf den Himmel, der unsere Heimat, unser Zuhause ist" richten. Die Erinnerung an unsere Schwestern, die in die Heimat gegangen sind, hilft uns dabei.
Sie sind im Hafen angekommen und haben sich in ihrer und durch ihre Berufung als Schwestern der Bruderschaft geheiligt. Das ist für uns eine große Ermutigung: Unser Ordensleben, das wir mit Großzügigkeit leben, ist eine wunderbare Vorbereitung auf die Ewigkeit.
Die Kongregation der Schwestern ist in den letzten fünfzig Jahren stark gewachsen. Welche besonderen Daten in ihrer Geschichte würden Sie erwähnen?
Am 29. September 1976, zwei Jahre nach der ersten Einkleidung, fand die erste Ordensprofess statt, der viele weitere folgten, denn heute zählt die Kongregation 211 Professschwestern.
Im September 1977 wurde unser Mutterhaus von Albano nach Saint-Michel-en-Brenne (drei Stunden südlich von Paris) verlegt, wo es sich noch heute befindet.
Dann folgte der Aufschwung der ersten Stiftungen, zunächst in Europa (Genf war 1977 unsere allererste Stiftung), dann in Übersee: 1981 in Saint Mary's (USA), 1988 in Sydney (Australien) und 1989 in Argentinien.
Ähnlich wie die Priesterbruderschaft bildet auch unsere Kongregation ihre Mitglieder auf mehreren Kontinenten aus: Die Noviziate in Argentinien und den USA wurden 1986 gegründet, das Noviziat in Deutschland, in Göffingen, 1992. Derzeit haben wir 32 Novizen und 13 Aspirantinnen.
1993 wurde unsere erste Mission mit einer Gründung in Gabun ins Leben gerufen. Später folgte eine weitere, diesmal in der Dominikanischen Republik, im Jahr 2009.
Unter den Gründungen, die aufeinander folgten, ist die 31. und jüngste zu erwähnen, die dieses Jubiläumsjahr prägen wird: Auf Wunsch von Pater Pagliarani wird künftig eine Schwesterngemeinschaft im Seminar in Zaitzkofen präsent sein, wie es bereits in den anderen Seminaren der Bruderschaft (Ecône, La Reja, Dillwyn) der Fall ist.
Das Werk des Fernkatechismus, das Erzbischof Lefebvre besonders am Herzen lag, feiert dieses Jahr sein 40-jähriges Bestehen: Der erste Schulanfang fand im Jahr 1984 statt. Neben Französisch wird unser Fernkatechismus mittlerweile auch ins Deutsche, Englische, Portugiesische, Polnische, Russische und Estnische übersetzt.
Seit 1995 kümmern sich die Schwestern um das Sekretariat des Eucharistischen Kreuzzugs für Frankreich und organisieren Sommerlager für junge Mädchen in den verschiedenen Ländern, in denen sie sich befinden.
Schließlich sei noch angemerkt, dass viele Priester um eine Gründung von Schwestern in verschiedenen Ländern bitten, einige haben sogar schon ein Haus bereit, um uns aufzunehmen... die Warteliste wird immer länger, aber wir sind nicht zahlreich genug, um sie zu erfüllen! Möge der Herr der Ernte viele großzügige Arbeiterinnen in seine Ernte schicken!